Zickige Piercings

pierced woman with concerned face
Piercing

Eine kurze Geschichte von zickigen Piercings, die nach langer Zeit plötzlich wieder anfangen, Faxen zu machen, featuring:

  • Mein Piercing war schon verheilt und hat sich wieder entzunden
  • Wildfleisch
  • Wenn ich dran drehe, oder damit spiele, tut es weh!
  • Der Stab wird plötzlich immer länger, das Piercing wandert.
  • Ohrenpiercings: Der Stab wird schief.

Plötzliche Entzündung, nachdem es schon verheilt war.

Das ist in fast jedem Fall die selbe Geschichte. Ich ahne nichts Schlimmes, Kund_in kommt rein und zeigt mir das entzundene Piercing. Wir plaudern ein bisschen, wie dies zustande kam, dabei mache ich eine innerliche Stricherl-liste, wie oft das Piercing angefasst wurde und wie lange es dauert, bis die Zahl zweistellig wird (Spoiler: unter drei Minuten). Man wird sich erst dann bewusst, wie schmutzig eigentlich die eigenen Finger und Hände sind. Man fasst unterwegs alles Mögliche an: Türklinken, Haltestangen in den Öffis, Geld, und das aller Schmutzigste: das Smartphone. Gedankenverloren spielt man dann immer wieder mal am Piercing, denn es ist ja nun abgeheilt und tut nicht mehr weh. Leute, bitte lasst eure Finger vom Piercing, auch wenn es schon abgeheilt ist! Ein Piercing ist Körperschmuck und Schmuck ist zum Anschauen da, nicht zum Spielen. Deshalb, bitte nur zum Wechseln, reinigen, oder Kugel festschrauben mit sauberen Händen anfassen und ansonsten komplett ignorieren und sich – ohne Finger – daran erfreuen.

Warum passiert das jedoch? Warum ist es nach dem Verheilen immer noch empfindlich?

Ich nenne das mittlerweile den Knochenbruch-Effekt. Wenn man sich einen Knochen bricht, verheilt der Knochen an der Bruchstelle viel härter und stabiler, als der gesunde Knochen. Manche Leute spüren bei Wetterumschwüngen die alten Brüche. Im schlimmsten Fall, zB. bei Sport, bricht man sich den Knochen nochmal, und zwar wieder an der vermeintlich selben Stelle. In Wahrheit bricht jedoch der Knochen genau am Übergang zwischen der Bruchnarbe und dem gesunden Knochen, da dieser Übergang sehr empfindlich ist.

broken bone x ray
healed bone x ray

Beim Piercing ist es ähnlich: Der Stichkanal verheilt und bildet eine Narbe. Der Übergang der ungepiercten zur gepiercten Haut ist sehr weich und empfindlich. Wenn man mit dem Piercing spielt, reizt man es dadurch. Die Haut am Rand der Narbe reißt auf, jedoch so mikroskopisch klein, dass es mit freiem Auge nicht sichtbar ist. Durch diese Risse können Mikroorganismen eindringen, das Immunsystem wehrt sich dagegen, und so bildet sich eine Entzündung. Die Haut beginnt sich zu röten, die Stelle wird jedoch mit der Zeit größer, und irgendwann ist es dann so groß und nervig, man genug und holt sich Rat.

Wildfleisch

Ein Teller mit Wild
Hautreizung, Wildfleisch

They’re not the same picture! Das Erste ist kein Problem. Das Zweite prinzipiell auch nicht, es kommt in etwa 50% aller Piercings vor und lässt sich mit Geduld, Liebe und ein bisschen Chemie besiegen.

Woher kommt das Wildfleisch?

“Wildfleisch” hat den Namen daher, da rund um den Piercingstab, meistens nur auf einer Seite, zu wuchern beginnt (“wild” wächst). Der Grund dafür ist meistens sehr schwer zu vermeiden: Keime und kleine Verschmutzungen, wie Feinstaub.

Man kann der reinlichste Mensch sein, und trotzdem kann man den Kontakt mit Feinstaub und Keimen aus der Luft nicht vermeiden. Vor allem in langem Haar legt sich der Staub gerne an, die Haare berühren das Piercing und transportieren dadurch kleine Partikel in den Stichkanal. Das Immunsystem reagiert damit, den Schmutz einzuschließen, wenn er nicht vom Wundsekret ausgespült werden kann. Es sieht dann aus, wie ein kleiner Pickel und wird mit der Zeit meist größer.

Loswerden kann man Wildfleisch gut mit dem täglichen Auftragen von Jod (zB. Beta Isodona), Zugsalbe, Hämorrhoidencreme, oder Spülen mit Salicilsäure, bis es komplett verschwindet. In manchen Fällen, bei besonders großen Kalibern, wird der Keloid hautärztlich entfernt und anschließend die Haut genäht oder kauterisiert.

Piercingstab wird immer länger…

Passiert oft bei Surface-Piercings, Augenbrauen- , und Bauchnabelpiercings. Das Problem ist meistens das Hängenbleiben am Piercing. Der Körper bekämpft den Fremdkörper (den Schmuck), indem er ihn abstoßt –> das Piercing beginnt, herauszuwachsen. Das erkennt man, indem der Stichkanal immer kürzer, und somit der Stab immer länger wird. Sobald man es merkt, sollte das Piercing entfernt werden, denn wenn das einmal anfängt, wird es nicht mehr wieder so, wie am Anfang. Das kann passieren, wenn man oft oder stark am Piercing hängen bleibt, durch hormonelle Umstellungen, mechanischen Reizen (zu enge Kleidung, andauerndes Streifen am Piercing durch Helm, Kopfbedeckung, etc. ) oder Reaktionen des Immunsystems. Ein Piercing ist, auch bei korrekter Verheilung, immer noch ein Fremdkörper und kann auch nach mehreren Jahren problemlosen Tragens herauswachsen.

Was passiert, wenn man es nicht rausnimmt?

Wenn man ein herauswachsendes Piercing zeitgerecht entfernt, bleiben kleine, punktförmige Narben zurück, die mit der Zeit immer weniger sichtbar werden. Wartet man zu, wird das Piercing so weit nach außen transportiert, bis es schließlich durch die Epidermis (Schuppschicht) durchschimmert und schließlich reißt. Dann bleibt eine unschöne, strichförmige Narbe, oder sogar ein Schlitz (bei Ohrknorpelpiercings) zurück. Deswegen: Wenn etwas mit eurem Piercing ist, was sich nicht normal anfühlt, oder seltsam aussieht, bucht euch einen Termin und kommt vorbei!

Piercing am Ohr wird schief

Wenn das Piercing frisch ist, muss der Ersteinsatzschmuck lang genug gewählt werden, um Platz für die Schwellung zu haben. Sobald die Schwellung abgeklungen ist, und das piercing dementsprechend soweit schmerzfrei ist, sollte der Stab gekürzt werden. Das hat zum Einen den Vorteil, dass man dadurch nicht mehr mit den Haaren oder Kopfbedeckungen am Schmuck hängen bleibt, zum Anderen jedoch, dass man darauf schlafen kann, ohne dass der Stab schief verwächst.

Wie und warum passiert das?

Was man im Schlaf tut, ob man schnarcht, oder auf welcher Seite man die meiste Zeit liegt, weiß man am Morgen meistens nicht mehr so genau. Wir alle haben jedoch eine liebste Schlafposition. Bei den meisten Menschen ist diese auf der Seite. Nach einer Weile hat man nach dem Stechen des Piercings nur noch so wenig Schmerzen, dass man wieder darauf schlafen kann. Wird der Stab nicht gekürzt, oder legt man sich zu früh auf das gepiercete Ohr, wird der Stab in eine Schräge gedrückt und verwächst so. Prinzipiell wird (zumindest von mir) immer durch den kürzesten Weg durch das Gewebe gestochen. Dennoch kann durch mechanische Einwirkung, wie zu enge Kopfbedeckungen, zu früh darauf liegen, oder zu spätes Kürzen, das Piercing schief verheilen. Es bilden sich kleine, rote Pusteln direkt am Stichkanal. Diese sind permanente Entzündungen, da der Stab nun durch das schiefe Verwachsen am ursprünglichen Stichkanal an beiden Rändern zieht und drückt. Deswegen: Bitte geht kürzen, so wie es auf der Pflegeanleitung steht!

Zu guter Letzt: Wenn ich mit dem Piercing spiele und es drehe, tut es weh!

Ja no na, Piercings sind auch nicht zum Spielen da. Wenn du an deinem Piercing rumdrehst, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass es sich entzündet und wieder weh tut. Also lass es bitte einfach in Ruhe.

Aber früher musste man die Ohrstecker immer drehen!

Nein, das liegt daran, dass früher die Piercings von Ärzt_innen geschossen wurden. Finde den Fehler! (Ich gehe heute nicht auf den offensichtlichen Fehler ein, dass die Piercings geschossen wurden) Womit verdient ein Arzt seinen Lebensunterhalt? Mit Menschen, die gesundheitliche Probleme haben. Was ist ein schneller Weg, um ganz sicher jemandem gesundheitliche Probleme zu verursachen? Genau, ihm mit einer Pistole ins Ohr zu schießen.

Wenn man sich beim Inlineskaten das Knie aufschlägt, und sich eine Kruste bildet, reißt man die ja auch nicht runter, sondern lässt sie in Ruhe verheilen. Genauso ist es bei einem Piercing! Es ist eine Verletzung mit einem Fremdkörper. Wenn man möchte, dass es nie verheilt, dann dreht man es am besten und reizt es dadurch andauernd. Möchte man allerdings möglichst bald schmerzfrei sein und ein schönes, verheiltes Piercing haben, lässt man einfach die Finger davon und behandelt es täglich, bis zur vollständigen Abheilung täglich mit Piercing-Desinfektion.

Drawing of girl with lots of ear-piercings

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